Die Fußball-Europameisterschaft zieht in diesen Tagen viele Menschen in ihren Bann. Ich glaube, wenn Jesus heute leben würde, hätte er Fußballgleichnisse erzählt. Denn immer wenn er Gleichnisse erzählt hat, hat er die Inhalte der Gleichnisse aus der Lebenswelt der Leute genommen. Und die Lebenswelt von uns heute ist nicht mehr in erster Linie der Fischfang, sondern – zumindest in Tagen wie diesen – eher der Fußball.
Ich glaube, Jesus würde von den Eckfahnen des Glaubens sprechen, davon, dass es nicht klug ist, permanent Linien zu überschreiten und das Foulspiel harte Konsequenzen nach sich zieht. Von der richtigen Mannschaftsaufstellung, die ins Finale führt, hätte er erzählt, und davon, dass jede und jeder seinen und ihren Platz im Spiel hat. Maria wäre in seinem Bild wahrscheinlich die Teammanagerin, die den Laden im Inneren zusammenhält. Von denen auf der Tribüne oder auf der Coach vor dem Fernseher würde er erzählen, die auch schon zu seinen Zeiten nur zugeschaut haben mit besserwissenden Kommentaren. So lassen sich manche Vergleiche herstellen, wie mit dem Sechser vor der Abwehr, der alles abräumt, so einen oder gleich mehrere davon bräuchten die Kirchen, um sich von dem zu befreien, was sie alles an historischem und aktuellem Ballast mitschleppen. Ich glaube, Jesus hätte Spaß daran, Vergleiche zu ziehen wie damals – nur nicht in jener Zeit, sondern in dieser Zeit – unmittelbar vor der Europameisterschaft, worauf so Viele hinfiebern, um den Titel ins eigene Land zu holen, Spieler, Trainer wie Fans.
Und nicht selten wird bei aller Begeisterung und Vorfreude Fußball zur Religion erklärt und vom Fußballgott gesprochen. Es ist interessant – auch für mich als Theologin – nachzuforschen, warum Menschen, warum Fans diesen Ausdruck gebrauchen und was sie eigentlich damit verbinden: Ist es die Sehnsucht nach einer Macht, die direkt in unser Leben eingreift, die Wunder vollbringt? Oder dieses Gefühl, dass da jemand ist, der in meinem Sinn die Dinge zum Guten wendet? Jedenfalls eines ist klar: Weder Geld noch Gott schießen Tore. Und wenn es ihn gäbe, müsste man sagen, dass der Fußballgott ungerecht ist, sich parteiisch auf eine Seite schlägt, dass er launisch und widersprüchlich ist, dass er keine Option hat für Verlierer, weil er Hoffnungen stranden lässt.
Der biblische Gott tickt grundlegend anders. Er hat eine Option für die Verlierer und Verliererinnen: Selig die Armen, selig die Trauernden. Gott steigt selber sozusagen in die 5., 6. oder 7. Liga hinab, also in den Stall von Bethlehem, ans Kreuz von Golgota, in die Wüste der Versuchung, um uns Räume und Gelegenheiten zu eröffnen, an denen wir ihn erfahren können. Der christliche Gott ist kein Vorläufer für Erfolgsspuren, Pokale und Titel. Im Bild des christlichen Glaubens wird nicht über Sieg oder Niederlage entschieden. Im Bild Gottes von uns Menschen ist jede und jeder Gewinnerin oder Gewinner. Das heißt nicht, dass wir im christlichen Sinn alle gleich sind, wohl aber gleich viel wert.
Monika Albert
Pastoralreferentin im Pastoralen Raum Ochsenfurt